Autoren: Dr. Hauke Thaden, EWE AG

Abstract

Ein Verständnis davon, wie datenbasiertes Geschäft funktioniert, und welche Möglichkeiten sich etwa für Verbesserungen im Arbeitsalltag durch den Einsatz von maschinellen Lernverfahren und Verfahren der künstlichen Intelligenz ergeben können, ist heutzutage essentiell für Fachkräfte in allen Fachdisziplinen. Praxiseinblicke der Mitarbeiter des EWE DataLabs über die letzten Jahre in zahlreiche Fachbereiche zeigten jedoch, dass an vielen Stellen dieses Verständnis erst sehr rudimentär ausgeprägt und der Informations- bzw. Aufklärungsbedarf gleichermaßen jedoch sehr groß war. Insbesondere gab und gibt es immer wieder Vorbehalte gegenüber dem Einsatz künstlicher Intelligenz, begründet durch Sicherheitsbedenken und einem auch durch Sciene Fiction geprägten Bild einer dem Menschen überlegenen und sich verselbständigenden KI.

Aus diesem Grund und auf Grund der Tatsache, dass die Anfragen zur Arbeitsweise des EWE DataLabs und zur Entwicklung datenbasierter Geschäftsmodelle schon im ersten Projektjahr von enera nicht mehr in Einzelgesprächen bedient werden konnten, wurde das Schulungs- und Themenakquisitionsformat „DataThinking“ vom EWE DataLab konzipiert und vielfach durchgeführt. Inzwischen ist das Format DataThinking nicht mehr nur ein enera Schulungsmodul, sondern auch fester Bestandteil des EWE Schulungsrepertoires und wird laufend an die neuen Bedarfe der Fachbereiche und unter Berücksichtigung neuer Trends im Bereich der künstlichen Intelligenz verbessert. Perspektivisch ist sogar eine Vermarktung des vollständigen Schulungskonzeptes angestrebt.

Von Einzelanfragen zu Kurskonzeption

Schon bei der Stellenbezeichnung und Ausschreibung zum Projektstart Anfang 2017 wurde mit der Frage aus der Personalabteilung „Was ist denn bitte ein Data-Scientist?“ schnell klar: hier gibt es Informationsbedarf. Dieser Bedarf bestätigte sich nach zahlreichen Vorstellrunden des EWE DataLabs sowohl bei enera Partnern als auch EWE intern und es tauchten einige Fragen immer wieder auf:

 

  • Wie funktionieren datenbasierte Geschäftsmodelle?
  • Was ist maschinelles Lernen und DataScience?
  • Was macht ein DataScientist? Wie arbeitet er und worauf achtet er?
  • Wie arbeitet man mit einem DataScientist zusammen?
  • Gibt es Beispiele für erfolgreiche Zusammenarbeit und wie ist das Potential der gemeinsamen Arbeit zu bewerten?
  • Wie funktioniert künstliche Intelligenz und wo liegen Grenzen?

Üblicherweise benötigte man zur fundierten Beantwortung all dieser Fragen je nach Vorwissen des Gesprächspartners ein bis zwei Stunden und es wurde schnell klar, dass eine eins zu eins Schulung bei der Vielzahl an Anfragen nicht effizient umsetzbar war. Damit war gleichsam die Idee der Unterbreitung eines Schulungsmoduls geboren, welches den Vorteil hatte, dass dieses einen Informationsstandard geschaffen hat und weiterhin mit einer Schulung die Bedarfe vieler Zuhörer bedienen konnte. Insbesondere der erste Punkt ist nicht zu unterschätzen, da somit die vermittelten Inhalte und insbesondere das Erwartungsmanagement hinsichtlich einer Zusammenarbeit mit dem DataLab weniger von der Person abhing, die in den Austausch getreten ist und damit vereinheitlicht werden konnte.

Bei der Kurskonzeption wurde darauf geachtet mit dem Lernmodul das Einsteigerlevel von Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen zu adressieren, als Zielgruppe wurden also ganz bewusst Personen ohne Vorerfahrung in den Themen DataScience oder KI ausgewählt. Die Kurslänge von zwei Stunden orientierte sich an den gemachten Erfahrungen der zuvor geführten Einzelgespräche. Das Schulungsformat wurde als Präsenzmodul festgelegt, um auch unmittelbar in den Dialog zu bestimmten Aspekten eintreten zu können. Die Schulung funktionierte jedoch auch als Online-Präsenzveranstaltung per Videokonferenz wie sich später unter den Erfordernissen der Corona-Pandemie herausstellte. Die Zielgröße von etwa 12 zu schulenden Personen hat sich über die Zeit als gute Richtgröße dargestellt, die Teilnahme von mehr Personen wurde sowohl von den Teilnehmern als auch den Dozenten als „anstrengend“ wahrgenommen.

Inhaltlich gliedert sich DataThinking in die folgenden Themenbereiche:

  1. Kontextsetzung: Beschreibung von enera und Aufstellung des EWE DataLabs
  2. Einstieg: Eingehen auf die Frage: Wo begegnen uns datenbasierte Geschäftsmodelle im Alltag?
  3. Beschreibung der Fachdisziplin: Was ist DataScience und wie arbeitet ein DataScientist?
  4. Interdisziplinäre Kooperation: Rahmenbedingungen und Voraussetzungen für die Zusammenarbeit von Fachbereichen und DataLab
  5. Vermittlung von Anwendungsbeispielen: Hier werden bereits durchgeführte Potentialanalysen eingeführt und besprochen
  6. Grundlagen maschineller Lernverfahren

DataThinking als Schulungsmodul wurde bisher etwa 30-mal durchgeführt und es konnten insgesamt über 300 Personen erreicht werden. Die überwiegende Anzahl der Schulungen wurde im Zentrum für Aus- und Weiterbildung der EWE in Oldenburg durchgeführt, aber bei Bedarf durchaus auch außerhalb von Oldenburg (vgl. Abbildung 1). Das Feedback zur Schulung DataThinking ist nach wie vor sehr positiv und das Modul hat sich zu einem der meistgebuchten Module im Schulungsangebot bei EWE entwickelt. Das Grundkonzept als Präsenzschulung und der inhaltliche Aufbau ist von Beginn an stabil geblieben, auch wenn das Modul inhaltlich natürlich stets an den aktuellen Stand von Forschung und Entwicklung angeglichen wurde.

Vom Lernmodul zur internen Akquisemethode

Bei den ersten Einzelgesprächen und zum Teil auch noch den ersten Schulungen stand die Wissensvermittlung noch klar im Vordergrund. Im Laufe der Zeit zeigte sich jedoch, dass im Rahmen der Schulung entstehende Diskussionen unter allen Teilnehmern auch stets den Praxisbezug in den Arbeitsalltag der Schulungsteilnehmer herzustellen suchten. Dieser stetige Impuls führte regelmäßig zu neuen Ideen für den Praxiseinsatz von Verfahren des maschinellen Lernens und der KI. Verstärkt wurde dieser Trend durch den fortwährend steigenden Einbezug von Einblicken in bereits erfolgreich durchgeführte Praxisprojekte des EWE DataLabs.

So wurde im Laufe der Zeit neben der Wissensvermittlung auch ein systematisches Brainstorming als Kursabschluss integriert, der es den Teilnehmern erleichtern sollte, eigenständig den Praxisbezug zu erkennen und ihn im Rahmen einer standardisierten Vorlage zu einer Ideenskizze für das eigens entwickelte Projektformat der „BrainWave“ schriftlich zu verdichten. Insgesamt eine spannende Entwicklung vom reinen Lernmodul hin zu einer Kombination aus Lehre und Themenakquise.

Als weitere Ergänzung wurde die Integration der Data Thinking Schulung in ein- oder mehrtägige Innovations- und Ideationworkshops mehrfach erprobt und erfolgreich durchgeführt. Auf diese Weise finden Wissenstransfer, Ideation und detaillierte Ausgestaltung der Ideen in einem fokussierten Rahmen statt.

Im Laufe der Zeit konnten im Rahmen von DataThinking eine Vielzahl von Themen identifiziert werden, von denen es einige bis in die Demonstration im Rahmen von enera geschafft haben. Identifizierte Themen waren beispielsweise Lichtcontracting, Stromabsatz- und Spitzlastprognose als Grundlage für die Netzentgeltkalkulation, Optimierung der Fahrweise von Pumpspeicherwerken oder Flexibilisierung von Biogasanlagen durch Fütterung.

Von der internen Verwendung hin zur Vermarktung von Wissen und Methodik

Vorbehalte und Unsicherheiten im Umgang mit künstlicher Intelligenz sind weder auf die Energiewirtschaft im Allgemeinen noch auf EWE im Speziellen beschränkt. Andere Energieversorger und Unternehmen weiterer Branchen stehen gleichermaßen vor der Herausforderung, die eigenen Daten sinnvoll einzusetzen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine bei einem großen Industriekunden von EWE durchgeführte DataThinking Schulung zeigte schnell auf, dass die grundsätzlichen Muster und Vorgehensweisen zum Einsatz von KI und maschinellen Lernverfahren unabhängig vom Anwendungsgebiet ihre Gültigkeit behalten.

Insbesondere können die Erfahrungen des EWE DataLab zur Identifikation, Ausgestaltung und Priorisierung von KI Use Cases unternehmens- und branchenübergreifend wesentliche Mehrwerte generieren.

Weitere Schulungen und Workshops mit externen Partnern sind derzeit in konkreten Planungen, um den Einsatz von KI im Energiesystem der Zukunft weiter zu fördern und das Denken mit und in Daten als Denkmuster zu etablieren.