Autoren: Dr. Justin Heinermann und Dr. Heinrich Klein (beide EWE AG)

Einleitung und Ausgangslage

Eine vorrausschauende Netzführung als Basis für eine bessere Integration erneuerbarer Energiequellen und die Behebung von Engpässen erfordern die frühzeitige und präzise Prognosen der lokalen Netzlast. Eine solche Prognose wird voraussichtlich für Verteilnetzbetreiber im Rahmen der derweil diskutierten Neuordnung von Redispatch und EISMAN verpflichtend. Bisher gibt es kaum Erfahrungen und  etablierte Lösungen für UW-Trafo scharfe Prognosen, sodass sich für alle Netzbetreiber in Deutschland die Frage stellt wie man einer Prognoseverpflichtung bestmöglich begegnen kann. Aufgrund der Erfahrungen mit Flexibilitätsmärkten im Projekt enera ist es naheliegend für EWE AG und EWE Netz, die Möglichkeiten für Prognosen für diesen Anwendungsfall genauer zu betrachten und die prinzipielle Machbarkeit eines Softwaremoduls zu demonstrieren. Für die Netzzustandsprognose sind insbesondere die erwarteten Leistungswerte der dezentralen Einspeiser relevant. Im Rahmen dieses Projektes haben wir für die kurzfristige Prognose der vertikalen Netzlast am MS/HS-Knoten ein datengetriebenes Prognoseverfahren prototypisch umgesetzt und auf den Daten von vier Umspannwerkstrafos evaluiert.

Netzzustandsprognosen-wetter

Abbildung 1: Räumliche Auflösung der Wetterprognosen für die enera-Modellregion

Messwerte-Netzleitsystem

Abbildung 2: Abbildung der Wetterprognosen auf die Messwerte aus dem Netzleitsystem

Neben der Einspeisung durch Windenergie und Photovoltaik sind in der Netzlast noch der Vebrauch durch angeschlossene Verbraucher und angeschlossene Niederspannungsnetze enthalten sowie weitere Einspeiser wie Blockheizkraftwerke. Diese Komponenten sind nicht wesentlich durch das Wetter beeinflusst, jedoch ist eine Prognose trotzdem nötig. Durch  den von uns verwendeten Ansatz kann auf den Zeitreihendaten selbst ein Prognosemodell trainiert werden, sodass wir ein relativ vollständiges Bild von der vertikalen Netzlast bekommen können.

Verwendete Daten

Während wir grundlegend annehmen, dass an allen MS/HS-Trafos das Signal der vertikalen Netzlast in Echtzeit gemessen wird und in einem Prognose-Softwaremodul nahezu instant verarbeitet werden kann, sind die Messwerte einzelner Anlagen nicht notwendigerweise verfügbar. Nichtsdestotrotz sind oftmals aus dem Netzleitsystem Hochrechnungen verfügbar, welche Anteile der Netzlast auf Wind-, PV- und Residuallast entfallen, sodass ggf. mit dieser Information die Prognose weiter verbessert werden kann. Wie üblich liegen die gemessenen Daten am Umspannwerkstrafo in einer viertelstündlichen zeitlichen Auflösung vor. Die Daten wurden um Ausfälle und Wartungsdaten bereinigt. Darüber hinaus wurden sowohl historische Wetterprognosen als auch weitere, frei verfügbare Daten, genutzt. Auf dieser Basis wurden verschieden maschinelle Lernverfahren eingesetzt.

Training des Modells und Evaluation

Beispielhafte-Prognose

Abbildung 3: Beispielhafte Prognose für wind-dominierten UW-Trafo.

Die Auswertung der Ergebnisse kann für den kompletten Zeitraum abzüglich eines initialen Trainingszeitraums erfolgen, da hier noch nicht genügend Trainingsdaten vorhanden sind. Zum Einsatz kamen verschiedene klassische Regressionsalgorithmen sowie neuronale Netze. Als Fehlermaß wurde der Root-Mean-Squared-Error (RMSE) verwendet. Eine beispielhafte Prognose ist in Abb. 4 visualisiert.

Für das Projekt haben wir Testdaten von drei Jahren für vier Testzeitreihen verwendet: Ein UW-Trafo mit viel Photovoltaik und wenig Windenergie, ein UW-Trafo mit mehreren Windparks sowie zwei eher last-dominierte Trafos. Abb. 5 zeigt den RMSE für die vier Test-UW über den kompletten Testzeitraum.

RMSE-Testzeitraum

Abbildung 4: RMSE für den kompletten Testzeitraum

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass wir diesem Proof-of-Concept im Rahmen des enera AP9 erfolgreich demonstriert haben, dass eine Prognose durch maschinelle Lernverfahren unabhängig von Netztopologie und Kenntnis der unterliegenden Erzeugungsstruktur möglich ist und dass ein solches Software-Modul sich gut auf verschiedene Situationen anwenden lässt. Unabhängig von der Machbarkeit des Modells und der erreichten Prognosegüte wäre für die Umsetzung eines Softwaremoduls auch die Integration in ein Ökosystem bei den Verteilnetzbetreibern sowie eine Härtung des Algorithmus für alle Sonderfälle nötig. Wenn der Bedarf an verbesserten Prognosen und die Vermeidung von Engpässen durch die Neugestaltung des Redispatch auch einen finanziellen Anreiz mit sich bringt, können selbstlernende Prognoseverfahren  einen signifikanten Mehrwert zur Verbesserung der Prognosegüte sowie für einen flächendeckenden Einsatz unabhängig von den genauen Gegebenheiten liefern.