Autoren: Christoph Wahmhoff (EWE AG)

Die kommunale Webanwendung visualisiert in Echtzeit die Stromverbräuche zahlreicher Liegenschaften in der Modellregion.

Kommunen als wichtiger Teil des Energiesystems

Einer der wichtigsten Faktoren für ein erfolgreiches Demonstrationsprojekt in einer großen Modellregion ist die Partizipation der vor Ort lebenden Menschen und ansässigen Institutionen.

Die zahlreichen Gemeinden, Städte, Landkreise und Samtgemeinden nehmen genau wie die vielen Vereine und Clubs in der ländlich geprägten enera Region eine sehr wichtige Rolle als Multiplikatoren ein und sind gleichzeitig selbst neben den gewerblichen Betrieben und Privathaushalten ein zentraler Teil des Energiesystems und eine wichtige Teilnehmergruppe. Mit enera sollten die Kommunen im Nordwesten befähigt werden, die durch die Stromverbräuche in ihren Liegenschaften verursachte CO2 Emission reduzieren und somit bundesweit eine Vorreiterrolle im Bereich nachhaltige Energieversorgung einnehmen zu können. 

Visualisierung ist die Basis für Optimierung

In den meisten kommunalen Liegenschaften werden die Zählerstände für die Erstellung der Stromabrechnung einmal pro Jahr erfasst. Anhand dieser alljährlichen Momentaufnahme ist es jedoch kaum möglich, konkrete Einsparpotenziale abzuleiten. Um den Stromverbrauch analysieren und bei Bedarf optimieren zu können, muss im ersten Schritt ein Verständnis für den Verbrauch und die Verbrauchsmuster in den unterschiedlichen Liegenschaften geschaffen werden. Genau an dieser Stelle setzte die kommunale Webanwendung mit einer Visualisierung des Stromverbrauchs auf Liegenschaftsebene an.

Die verantwortlichen Personen auf sämtlichen Ebenen innerhalb der Kommunen wurden mit diesem  Tool befähigt, jederzeit die aktuellen und historischen Verbrauchswerte der einzelnen Gebäude und Einrichtungen einzusehen. Somit konnten zunächst die Liegenschaften untereinander, beispielsweise zwei Grundschulen ähnlicher Größe, verglichen werden, um zu ermitteln, welche der Einrichtung insgesamt effizienter ist. Des Weiteren konnte der aktuelle Verbrauch einer Liegenschaft jederzeit mit den Werten der Vorwoche oder des Vormonats verglichen und dadurch Unregelmäßigkeiten, die beispielsweise durch ein defektes Endgerät entstehen, schnell und einfach identifiziert werden.

Im Idealfall dienten die gewonnenen Erkenntnisse dann als Entscheidungsgrundlage für die Planung und Umsetzung effizienzsteigernder und energiesparender Maßnahmen.

Kleinigkeit mit großer Wirkung

Die Voraussetzung für die Visualisierung ist die automatische Erfassung der Verbrauchsdaten. Die Kleinigkeit, durch die dies technisch ermöglicht werden konnte, war ein sogenanntes smartes Auslesemodul (kurz SAM), welches per Magnet auf die optische Schnittstelle moderner Stromzähler aufgesetzt werden konnte. Die hier ausgelesenen Daten wurden über das örtliche WLAN Netzwerk übertragen. Die große Herausforderung, den gesamten Prozess von der Ansprache der Kommunen über die Erfassung der benötigten Stammdaten geeigneter Liegenschaften bis hin zur Installation der Auslesemodule mit eigenen Ressourcen der Projektorganisation zu planen und umzusetzen, konnte erfolgreich gemeistert werden. Technisch war das Gerät in der Lage, alle zwei Sekunden den aktuellen Stromverbrauch auszulesen und zu übertragen. Für die Verbrauchsvisualisierung wurden die Daten alle 15 Minuten übertragen. Im Vergleich zu jährlich manuell erfassten Zählerständen,  stellte die automatische Verbrauchsdatenerfassung in Verbindung mit einer übersichtlichen Visualisierung in 15-minütigen Intervallen einen revolutionären Mehrwert da.

„Mit SAM setzten wir auf eine minimal invasive Lösung, die schnell und einfach installiert werden kann und einen konstanten, zuverlässigen Betrieb ohne weiteren Serviceaufwand sicherstellt.“

Lorenz Anders, enera Projektmanager

Das Angebot stößt auf großes Interesse

Nachdem über 20 Kommunen in der Modellregion ihre Teilnahme zugesagt hatten, mussten in einigen Liegenschaften zunächst die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen werden. Zum einen mussten vereinzelt alte analoge Ferrariszähler gegen digitale moderne Messeinrichtungen getauscht werden und zum anderen die WLAN Anbindung und Stromversorgung sichergestellt werden. Anschließend konnten die smarten Auslesemodule installiert und die jeweiligen Liegenschaften so in das System eingebunden werden.

„Die Kommunen in der Modellregion waren von Anfang an sehr interessiert, da der Mehrwert klar auf der Hand lag.“

Ralf von Dzwonkowski, EWE NETZ Kommunalbetreuung

Um das Engagement auch der breiten Öffentlichkeit bekannt zu machen, wurden den teilnehmenden Kommunen touristische Hinweisschilder mit der Aufschrift „Energiewende-Kommune“ übergeben, die zum Beispiel an Ortszufahren installiert wurden.

Energiewende-Kommune Zetel

Abbildung 1: Mit ausreichend Corona- Sicherheitsabstand wird die Gemeinde Zetel zur Energiewende-Kommune

Ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann

Die Stromverbräuche wurden über ein Onlineportal, auf das nur berechtigte Mitarbeiter der jeweiligen Kommune Zugriff hatten, visualisiert. Nach dem Login wurden zunächst die  einzelnen Liegenschaften übersichtlich in einer Kartenansicht dargestellt. Wurde eine dieser Liegenschaften ausgewählt, öffnete sich eine Detailansicht, in der zwischen Wochen-, Monats- oder Jahresansicht gewählt werden konnte und sowohl aktuelle als auch historische Zeiträume angezeigt werden konnten.

Darstellung des Liegenschaften in der enera Webanwendung für die Energiewende-Kommunen

Abbildung 2: Startseite der kommunalen Webanwendung mit Übersicht aller Liegenschaften (Liste & Karte)

Darstellung des Stromverbrauchs in der enera Webanwendung

Abbildung 3: Detailansicht einer einzelnen Liegenschaft

Die technische Machbarkeit konnte somit erfolgreich demonstriert und die Erwartung der Ansprechpartner in den Kommunen erfüllt werden, was durch die sehr positive Resonanz und die Nachfrage nach einem Angebot, dass über den enera Projektzeitraum hinaus geht, bestätigt wurde.

„Es war erstaunlich zu sehen, wie bereits nach wenigen Tagen der Datenaufzeichnung zum Beispiel in einem Kindergarten anhand der Verbrauchsdifferenz zwischen Werktag und Wochenende klar zu erkennen war, wie hoch der ständige Verbrauch durch Kühlschränke und andere Standby Geräte ist. So konnten in einigen Kommunen bereits nach sehr kurzer Zeit erste Handlungsprioritäten abgeleitet werden.“

Ralf von Dzwonkowski, EWE NETZ Kommunalbetreuung

Und was kommt jetzt? LiMBO!

Aufbauend auf die zahlreichen technischen und prozessualen Erfahrungen aus der kommunalen Webanwendung, wurde ein Folgeprodukt entwickelt, welches zeitlich und räumlich über den enera Horizont hinaus ein attraktives Angebot an Kommunen darstellt.

LIMBO vereint das Monitoring, die Bewertung und die Optimierung von kommunalen Liegenschaften. Das ursprüngliche Angebot wird zum einen durch die Integration weiterer Sparten, wie Gas und Wasser, und zum anderen durch eine Vielzahl weiterer Funktionen und Mehrwerte ergänzt und erweitert. Dazu zählen zum Beispiel Alarmfunktionen bei auffallend abweichenden Verbräuchen oder die regelmäßige Erstellung eines Energieberichtes. Kommunen, die sich bereits an der kommunalen Webanwendung beteiligt hatten, stellten für diese Weiterentwicklung der bestehenden Anwendung ein wichtiges Panel dar und wurden eng mit einbezogen, um zielgenau auf die Bedürfnisse und Anforderungen eingehen zu können.

Um die automatische Erfassung von Verbrauchsdaten noch zuverlässiger umsetzen und auf weitere Sparten ausweiten zu können, kommt hier eine neue Technologie, der sogenannte Simple Generic Interpreter, zum Einsatz, der in Zusammenarbeit mit einem erfahrenen Messgerätehersteller entwickelt wird.