Autoren: Hauke Held, EWE AG; Michael Richter, EWE AG

Einordnung von Startup-Kooperationen in den Kontext des enera Projektes

Das Projekt enera steht für die Realisierung des nächsten großen Schrittes der Energiewende durch technologische Weiterentwicklung, Vernetzung und eine durchgehende Digitalisierung. In der enera Modellregion in Nord-West Deutschland soll ein stabiles und volkswirtschaftlich optimiertes Energiesystem erprobt werden. Darin sollen sich auch neue, disruptive und vorrangig digitale Innovationen und Geschäftsmodelle zügig entwickelt können. In diesem Zusammenhang liegt es auf der Hand, im Rahmen von enera auch junge, innovative Startups und etablierte Unternehmen zusammen zu bringen.

Dafür wurde verschiedenen Startups mit Ko-Entwicklungsaufträgen ein Marktzugang sowie der Zugriff auf Branchen-Know-How ermöglicht. Gleichzeitig trugen die geförderten Startups mit ihren Ideen und Innovationen dazu bei, ihre spezifische Startup DNA (Dynamik, Kreativität, Unternehmertum) in das Projekt enera zu tragen und es noch lebendiger zu machen.

Ziele

Die Startup-Partnerschaften im Projekt enera hatten zum Ziel, bestehende und zukünftige Herausforderungen der „alten“ Energiewelt mit neuen Sichtweisen zu bewältigen und hier insbesondere Startups die Möglichkeit zu geben, ihre neuartigen Lösungen auszuprobieren. Dabei sollten auch Impulse durch die Verwendung von neuen Technologien und der Erprobung neuer Arbeitsweisen geschaffen werden. Die Startups erhielten so die Möglichkeit, ihre innovativen Lösungen und Services mit Unterstützung der Konsortialpartner für die Energiebranche zu adaptieren und weiterzuentwickeln und so auch gleichzeitig die Basis für neue Geschäftsmodelle der an enera beteiligten Unternehmen zu schaffen.

In diesem Artikel wird diese Zusammenarbeit mit verschiedenen Startups exemplarisch beschrieben.

Hyko – der smarte Eisbär für ein besseres Energieverbrauchsverhalten

Hyko ist der Markenname eines Smart Toys des niederländischen Startups CareToSave B.V. In dem Kooperationsprojekt mit CareToSave ging es insbesondere um die Fragestellung, wie man traditionelle Energieprodukte emotionalisieren kann und dabei intensiv in eine Interaktion mit dem Kunden kommt. Hierzu wurde als Produkt die klassische Energie-Commodity, also der eigentlich „langweilige“ Stromtarif ausgewählt.

Im Rahmen des Projektes wurde ein mit Farb-LEDs betriebener Spielzeug-Eisbär so weiterentwickelt, dass er über eine Bluetooth-Verbindung von einer Smartphone-App gesteuert werden konnte. Die App erhielt über ein Backend die aktuellen, am Stromzähler digital ausgelesenen, Verbrauchsinformationen und konnte daher den Stromverbrauch farblich mit dem

Eisbären visualisieren. Prototypisch wurden für die App kindgerechte Storys skizziert, die Energieverbräuche, Klimawandel und die Auswirkungen auf unsere Umwelt erklären und in Relation setzen.

Während die Entwicklung der notwendigen Schnittstellen zur Messeinrichtung sowie die Weiterentwicklung des Hyko-Prototypen (z.B. Batterie und Sensorik) erfolgreich verlief und auch eine einfache Visualisierung von Verbräuchen über die Hyko-Applikation und den Hyko-Eisbären entwickelt wurde, war die Marktreife der Prototypen zum Abschluss des Projektes noch weit entfernt.

Rückmeldungen aus den ersten Markterprobungen mit potenziellen Kunden im Rahmen eines öffentlichen enera Barcamps in Ostfriesland und eines Konsortialpartnertreffens ließen gleichzeitig darauf schließen, dass für einen erfolgreichen Marktangang eine erhebliche Weiterentwicklung der Geschäftsidee notwendig sei. Dies beinhaltet sowohl die technischen Produktmerkmale als auch die didaktischen Inhalte. Im Gespräch mit den Gründern zu einer möglichen weiteren Zusammenarbeit wurde klar, dass die Prioritäten des Startups in der absehbaren Zukunft auf anderen Aspekten der Weiterentwicklung liegen würden.

Daher wurde beschlossen, keine weitere Zusammenarbeit mit CareToSave B.V. auf diesem Gebiet anzustreben.

Logarithmo – Modulare Datenanalyse für die Energiewende

Ein Kooperationsprojekt, das aus dem enera Startup-Wettbewerb pitchX hervorging, wurde mit dem Unternehmen logarithmo GmbH & Co. KG aus Dortmund durchgeführt. Inhaltlich ging es in diesem Projekt um die eingeschränkte Transparenz bezüglich Maßnahmen zum Einspeisemanagement (EisMan), das heißt der regionalen Abschaltung von erneuerbaren Energien zur Stabilisierung von durch Überlast bedrohten Energienetzen.  Technisch sollte hier das Verschneiden vieler verschiedener Datenquellen und ihre einfache Visualisierung umgesetzt werden. Methodisch wurde das Projekt in starker Anlehnung an die agile Sprint-Logik unter Teilnahme verschiedener Fachexperten, z.B. von EWE NETZ, be.storaged, EWE Trading und auch Experten aus dem enera Flexibilitätsmarkt durchgeführt.

Ergebnisse der Zusammenarbeit waren Web-Applikationen, die es dem Nutzer einfach und schnell erlaubten, für ausgewählte Zeiträume Analysen auf den angeschlossenen Datenquellen durchzuführen und diese verständlich zu visualisieren.  Die sogenannte EisMan-Applikation beinhaltete z.B. Möglichkeiten die zeitliche und örtliche Auflösung von Einspeisemanagement-Maßnahmen, eine verbundene Batteriespeicher-Analyse, Korrelationsanalysen mit Redispatch-Maßnahmen und Weiteres. Auf diesen Arbeiten aufbauend wurde in einem Folgeprojekt auch eine vereinfachte Variante der Applikation für die breite Öffentlichkeit entwickelt und im enera App-Store gehostetet, um auf einfache und verständliche Weise Transparenz über Einspeisemanagement-Maßnahmen zu geben. Hierzu gehörte als Erweiterung auch das enerameter, das Informationen zur Stromproduktion aus regenerativen und konventionellen Quellen visualisierte.

Zusammenfassend war das Projekt mit logarithmo ein großer Erfolg, in dem neben vielen inhaltlichen Erkenntnissen eine Menge technisches und methodisches Know-How für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalprojekten gewonnen werden konnte.

Senselab.io – Augmented Reality als neue Form der Energiedaten-Information

In dem Kooperationsprojekt mit Senselab.io, einer Marke der SoftVR GmbH, wurde Augmented Reality als neue Technologie für die Visualisierung von Energiedaten für Endverbraucher erprobt. Ziel des Projektes war es, eine prototypische Smartphone-Applikation zu entwickeln, mit der Kunden durch ihr Haus oder ihre Wohnungen gehen können und dann Informationen zu bestimmten Geräten erhalten. Hierzu wurde in Zusammenarbeit mit Senselab.io zunächst ein Objekterkennungsalgorithmus implementiert, der es ermöglichte, z.B. den Herd oder die Waschmaschine durch die Smartphone-Kamera zu identifizieren.  Dieser Algorithmus wurde dann in eine Augmented Reality Umgebung eingebettet, so dass man mit laufender Kamera durch ein Zimmer gehen konnte und dann bestimmte Objekte erkannt wurden. Mit Hilfe von Schablonen konnten virtuelle Objekte auf die realen gesetzt und mit verschiedenen Informationen und weitergehenden Funktionen verknüpft werden. Für den Prototypen wurde die Erkennung von Waschmaschine, Trockner, Herd, Kühlschrank, Kaffeemaschine und Fernseher implementiert und zu diesen Objekten zunächst statische Informationen zu Durchschnittsverbräuchen, Tipps zum Energiesparen und „Fun Facts“ angezeigt. In einer weiteren Iteration der App wurden dann zur Steigerung der Kundeninteraktion weitere Funktionen und sogenannte Mini Games entwickelt. So wurde z.B. an dem Objekt Fernseher die Möglichkeit eingebaut, sich in einem Film, der in der Augmented Reality Umgebung auf den Fernseher projiziert wurde, über das Energiewende-Projekt enera zu informieren. An der Kaffeemaschine wurde ein eigens entwickeltes Mini Game angeheftet, in dem das enera Maskottchen SAM (in Anlehnung an das Smarte Auslese Modul) in einem Hindernis-Parcours Energiewende-verhindernde Artefakte einsammeln muss.

Die ersten Reaktionen in Markttests z.B. auf dem enera Stand auf der eWorld 2020 in Essen fielen überwiegend positiv aus und zeigten auch, dass Augmented Reality als neue Technologie ein Hingucker ist, der aus Marketing-Sicht sehr positiv für den enera Stand war.

Envelio – Digitale Verteilnetze in der Cloud

Die envelio GmbH aus Köln ist ein junger Software-as-a-Service-Anbieter für die Digitalisierung von Stromnetzen.  Ihre „Intelligent Grid Platform (IGP)“ ist als digitales Assistenzsystem für Netzbetreiber konzipiert mit den Anwendungsschwerpunkten Datenqualität, Netzplanung und Netzbetriebsführung. Im Rahmen eines gemeinsamen Projektes wurde die IGP unter Beteiligung der Fachexperten von EWE NETZ insbesondere mit Fokus auf Datenqualität weiterentwickelt und die Fragestellung bearbeitet, ob man mit Hilfe dieses weiterentwickelten Systems die Record Linkage, also das Zusammenführen von Informationen zu Objekten aus verschiedenen Quellsystemen vereinfachen und verbessern kann, um dann mit Hilfe von moderner Algorithmik im Sinne eines automatischen Dateninspektors Vorschläge für die Auflösung von ggf. erkannten Dateninkonsistenzen vorzunehmen. Hierzu wurden in einem iterativen Verfahren über einen längeren Zeitraum unterschiedliche Techniken implementiert und Studien über ihre Güte durchgeführt. Die so neu aufbereiteten Daten wurden dann exemplarisch mit weiteren Modulen der Intelligent Grid Platform analysiert und Erkenntnisse für die Alltagstauglichkeit im Netzbetrieb abgeleitet.