Autoren der Studie sind Dr. Manuel Jäkel und Dr. Hendrik Vennegeerts, die diese als Mitarbeiter der FGH e.V. erstellt haben (FGH e.V., 2017).

In einer Machbarkeitsstudie der FGH e.V. wurden mögliche Anwendungsfälle für den Einsatz eines supraleitenden Kurzschlussstrombegrenzers in der Modellregion untersucht Der folgende Artikel fasst die im Rahmen von enera erstellte Machbarkeitsstudie „Untersuchungen zu Anwendungsfällen von supraleitenden Kurzschlussstrombegrenzern in der enera-Modellregion“ zusammen.

Problemstellung & Motivation

Infolge der Energiewende und dem damit einhergehenden hohen Anstieg an dezentralen Erzeugungsanlagen (DEA), zumeist auf Basis erneuerbarer Energien, ergeben sich beträchtliche technische Herausforderungen in den Verteilnetzen, in denen ein Großteil der DEA bereits installiert ist und ein weiterer Zuwachs erwartet wird. Um den sicheren und zuverlässigen Netzbetrieb garantieren zu können, ist oftmals Netzausbau notwendig, um die Netzanschlusskapazität für DEA zu erhöhen. Allerdings kann je nach bestehender Netzstruktur und derzeitiger Betriebsphilosophie auch ein stärker vermaschter Betrieb der Mittelspannungsnetze (MS-Netze) dazu beitragen, Netzausbauinvestitionen zu vermeiden. Sowohl Netzausbau als auch eine erhöhte betriebliche Vermaschung führen zu geringeren Netzimpedanzen zwischen Knoten und zum vorgelagerten Hochspannungsnetz, woraus eine höhere Kurzschlussbelastung der Betriebsmittel im Fehlerfall resultiert. Dies ist heute bereits einer der Gründe, MS-Netzbereiche galvanisch getrennt zu betreiben. Zur Erschließung des Freiheitsgrades müssen demnach nicht nur die Belastbarkeitsgrenzen geprüft werden, sondern ist auch der Einsatz von Kurzschlussstrombegrenzern (KSB) als übliche Abhilfemaßnahme technisch und wirtschaftlich zu prüfen.

Supraleitender Kurzschlussstrombegrenzer

Für diese neuen Herausforderungen existiert mit supraleitenden Kurzschlussstrombegrenzern (sKSB) ein neuer Lösungsansatz, welcher in den vergangenen Jahren erste Anwendungsfelder gefunden hat - siehe www.nexans.de in 2016 und www.windkraft-journal.de in 2014. Gegenüber bisherigen Lösungen über Kurzschlussstrombegrenzungsdrosseln, gegebenenfalls mit einem Bypass über schnell öffnende Schalter, weisen sKSB eine Reihe von Vorteilen auf. So erzeugen sie im Normalbetrieb nur geringe Verluste, erfordern keine zusätzliche Blindleistung, sind aufgrund der „Selbstheilung“ in kurzem zeitlichem Abstand zu einem Kurzschlussereignis wieder ohne weitere Maßnahmen einsetzbar und reduzieren bei entsprechender Auslegung den Kurzschlussstrom deutlich stärker. Die „Selbstheilung“ ist auch ein wesentlicher Vorteil gegenüber oder sogenannten Is-Begrenzern. Die Begrenzung bleibt über eine sKSB-auslegungsspezifische Zeit bestehen, danach wird das Betriebsmittel durch den Eigenschutz abgeschaltet. In dieser Studie wird eine KS-Begrenzung über 100 ms angenommen, welche sich jedoch vom Betriebsmittelhersteller flexibel und damit länger als die Abschaltzeiten des Kurzschlussschutzes ausgestalten lässt.

Kurzschlussstrom

Abbildung 1: Kurzschlussstrom nach Fehlereintritt mit und ohne sKSB (Nexans GmbH, 2017)

Mögliche Anwendungsfälle in Modellregion

Im Rahmen der Machbarkeitsstudie wurden mögliche Anwendungsfälle zum Einsatz von sKSB in MS-Netzen identifiziert. Diese können in die in Abbildung 2 dargestellten Fälle zusammengefasst werden:

  • Fall 1: Parallelschaltung von Transformatoren innerhalb eines HS/MS-Umspannwerks zur Erhöhung der Umspannleistung bei gleichzeitig optimaler Nutzung der Redundanz zum Zuverlässigkeitsvorteil:  Der verursachten Zunahme der Kurzschlussstrombelastung kann durch die unterspannungsseitig auf getrennte Sammelschiene entgegengewirkt werden, bei denen sKSB in den Kupplungen installiert werden.
  • Fall 2: Kopplung zweier MS-Netze: Die Vermaschung erhöht nicht nur die Kurzschlussströme, bei einer Kopplung elektrisch weiter entfernt von den HS/MS-Umspannwerken können sich trotz gleicher Schaltgruppen aller HS/MS-Transformatoren aufgrund der Unterschiede bei den Spannungswinkeln hohe Ausgleichsströme ergeben.
  • Fall 3: Einbau eines sKSB am Netzanschlusspunkt einer DEA mit hohen Kurzschlussstrombeitrag: Dieser kann bei DEAs, wie z.B. Biomasse- und Blockheizkraftwerken mit direkt gekoppelten Drehstromgeneratoren und bei Windenergieanlagen mit doppelt gespeisten Asynchronmotoren auftreten.