Autoren:  Viktor Dmitriyev (OFFIS), Justin Heinermann (EWE AG)

Einleitung

Das Thema „Bürgerspeicher“ ist beim „Innvotation Friday“ im Rahmen eines AP9-Treffens als eine mögliche Idee für einen innovativen Geschäftsprozess entstanden. In der Energiewirtschaft ist es ein übliches Problem, die erzeugte Stromüberschüsse für die nachgelagerte Verwendung kostengünstig zu speichern. Fast alle gängigen Lösungen sind nicht kostengünstig und benötigen häufig die Partizipation von Inverstoren. Außerdem können diese technisch äußerst Anspruchsvoll werden. Die Idee beim Bürgerspeicher Use-Case war ein Modell für mehrere Haushalte zu erschaffen, welches erlaubt, erstehende Stromüberschüsse in einem zentralen nachbarschaftlichen Speicher zu speichern. Der zentrale Speicher ist notwendig, um die gespeicherte Energie zu einem späteren Zeitpunkt nutzen zu können. In dieser Konstellation waren mehrere Nutzungsformen wie z.B. die Optimierung des Eigenbedarfs oder die Primärregelleistung möglich. Später wurden Bürgerspeicher-Demo-Use-Cases von OFFIS, BTC, Hochschule Fresenius und EWE konzipiert und von OFFIS und EWE in eine Softwarelösung umgewandelt und anschließend evaluiert.

Idee

Wie bereits erwähnt, lassen sich die Batterien vielfältig einsetzen. Unter Anderem könnte man die Batterie für folgende Nutzungszwecke einsetzen:

  • Optimierung des Eigenverbrauchs
  • Anbieten von Regelleistung
  • Spotmarkt (Day-Ahead + Intraday)
  • Laden von Fahrzeugen (Park & Charge)

 

Bei der Nutzungsform “Optimierung des Eigenbedarfs“ wird die überschüssige Energie von Photovoltaik-Anlagen über das Stromnetz in Batterien gespeichert. Nach der Speicherung von Stromüberschüssen kann eigener Strom nach Bedarf wieder genutzt werden. Im Vergleich zur Einspeisung in das öffentliche Netz könnte in bestimmten Fällen die Nutzung von eigenem Strom günstiger werden. Dadurch könnte man nicht nur günstigen Strom vom Batteriespeicher beziehen, sondern auch regionale Nähe und lokale Bezüge schaffen. Selbstverständlich wäre dieser Ansatz hauptsächlich für die sogenannten Prosumer interessant - also Haushalte, in denen der Strom nicht nur verbraucht, sondern auch erzeugt wird. Um diesen Anwendungsfall für mehrere Haushalte profitabel realisieren zu können, müssen auch Merkmale wie Anschaffungskosten der Batterie, Betriebskosten und Batterieverschleiß berücksichtigt werden. In bestimmten Fällen, wenn z.B. geschlossene Verteilernetze oder Arealnetze betrachtet werden, könnte man auf Netzentgelte verzichten um die Betriebskosten zu senken.

In dem „Bürgerspeicher“ Use-Case wird hauptsächlich “Optimierung des Eigenvebrauchs“ betrachtet. Nichtsdestotrotz ist die entwickelte Softwarelösung flexibel genug, um weitere Fälle, wie z. B. das Laden von Fahrzeugen zu Hause mit zu berücksichtigen. Weitere Nutzungsformen wie z.B. das Anbieten von Regelleistung wurden in diesem Fall nicht betrachtet, weil die Fälle häufig entweder zu speziell sind oder signifikant höhere Anschaffungskosten verursachen.

Konfiguration von Szenarien im „Bürgerspeicher“

Speziell für das Thema „Bürgerspeicher“ entwickelte Konzepte und Softwarelösungen sollen Fachexperten erlauben, eigene Szenarien nach eigenen Bedürfnissen zu konfigurieren. Das Hauptziel von solchen Szenarien sollte immer ein Test der gewünschten Batterieanwendung mittels der Simulation sein. Hauptsächlich besteht die entwickelte Lösung aus unterschiedlichen User-Interface Komponenten, wie z. B. ein Szenarien-Konstruktor, Geo-Dashboard oder einer Visualisierung. Dabei wurden zuerst folgende universale Komponenten konzipiert und implementiert – Photovoltaik-Anlage, Haushalt und Batterie. Die Abbildung 1 stellt das Geo-Dashboard und den Szenarien-Konstruktor dar. Der Konstruktor erlaubt ein Szenario aus Photovoltaik-Anlagen, Haushältern und Batterien zu erstellen. Dabei wird jede Komponente von einem bestimmten Szenario angepasst. Zum Beispiel könnte man bei einem Haushalt die Merkmale wie Jahresverbrauch, Personen im Haushalt und Hausfläche anpassen. Diese Parameter werden auch später die Simulation und die bei der Simulation erzeugte Datengrundlage beeinflussen. Die Web-Anwendung lässt nicht nur die Kern-Komponenten anpassen, sondern auch die Zeitperiode für das Szenario.

Buergerspeicher-GUI

Abbildung 1: Web-basierte GUI des Bürgerspeicher Demos

Nach der Konfigurationsphase könnte man entweder das Szenario starten oder die JSON-Dateien mit dem Szenario für spätere Nachbearbeitung speichern. Wenn das Szenario gestartet wird, erhält man nach der Bearbeitungszeit die simulierten Daten für das ausgewählte Szenario zurück. Die generierten Daten können direkt visualisiert werden. Eine mögliche Darstellung der generierten Daten ist auf der Abbildung 2 zu sehen.

Buergerspeicher-simulierte-daten

Abbildung 2: Simulierte Daten (grün – PV-Anlage, blau – aggregisrte Haushälte, grau - Batterie)

Im Regelfall werden mehrere Szenarien untersucht, um eine Vergleichsgrundlage für z.B. die Installation von verschiedenen Batterien für eine nachgelagerte Analyse zu erschaffen. Die Abbildung 3 stellt einen Vergleich da. Die Datengrundlage für diesen Vergleich wurde von der Softwarelösung erstellt.

Buergerspeicher-Evaluation

Abbildung 3: Evaluation bzw. Übersicht von unterschiedlichen Szenarien

Technische Sicht

Für die Softwareentwicklung wurden folgenden Technologien genutzt: Python (Mosaik-simulation, Web-Anwendung, Schnittstellen, Datenauswertung), Predictive Model Markup Language (PMML) sowie Open Scoring für die Ausführung von PMMLs.  Die Architektur und auch entsprechende Implementierung bestehen aus folgenden Kern-Softwareartefakten:   

  1. Die Web-Anwendung (Geo-Dashboard, Konstruktor von Szenarien und Visualisierung)
  2. Jedes Szenario kann als JSON gespeichert werden
  3. Die Mosaik-Simulation mit unterschiedlichen Simulatoren war für die Datengenerierung zuständig
  4. Mosaik-Simulatoren
  5. Schnittstelle zwischen Mosaik-Simulatoren und PMML-Umgebung. An dieser Schnittstelle lassen sich später beliebige PMMLs als Simulatoren nutzen
  6. Daten (CSV, JSON)
  7. Auswertung der Daten

Abbildung 4: Übersicht der Softwarelösung

Die Mosaik-Simulation wurde mit anderen Simulatoren, wie z.B. eine auf PMML-Modellen basierte Photovoltaik-Simulation sowie einer Batterie-Simulation ausgestattet. Es wurde außerdem eine Datenerhebung mit unterschiedlichen Simulatoren unter vielfältigen Bedingungen sowie mit den variablen Zeitperioden ermöglicht. Dazu wurde eine Datenauswertung der simulierten Daten bereitgestellt. Die Mosaik-Simulation war zusätzlich mit anderen Simulatoren für die Steuerung, wie z.B. eine Energy Management System (EMS)-Simulation ausgestattet. Bei der Umsetzung von entwickelten Konzept wurde festgestellt, dass PMML-basierte Integration der Modelle zwar leicht umsetzbar sind, jedoch PMML als Übertragungsstandard für das maschinelle Lernen nicht so viele analytische Verfahren unterstützt. Es wurde außerdem eine Datenerhebung mit verschiedenen Simulatoren für eine nachgelagerte Auswertung der Szenarien erprobt.

 

Zusammenfassung

Häufig haben innovative Lösungen wie Bürgerspeicher eine gewisse Barriere vor sich, um eine erfolgreiche Erprobung und nachgelagerte nachhaltige Entwicklung verwirklichen zu können. Diese Lösungen stellt meistens ein hohes unvorhersehbares Risiko für direkte Investitionen da, weshalb sie regelmäßig von Kapitalanlegern übersehen und ignoriert werden. Dadurch werden entstehende Vorteile nicht sofort ersichtlich. Zum Beispiel wenn eigens produzierter Solarstrom im Bürgerspeicher zwischengespeichert wird, ist dieser dann nicht mehr als grün, sondern als grau Strom zu bezeichnen. Das heißt, in diesem konkreten Fall lässt sich der Bürgerspeicher ohne weitere Gesetzesänderungen schwer umsetzen. Eine Ausnahme würde ein eigens für diesen Zweck verlegtes Kabel zwischen allen beteiligten Parteien darstellen, welches sicherstellt, dass die Regelungen für den Grünstrom eingehalten werden. Dies wird wiederum neue Kosten verursachen und wird weitere technische Mittel benötigen. Das entwickelte Konzept und die Softwarelösung wurden mit Hilfe von Fachexperten evaluiert. Dabei wurde festgestellt, dass der Markt nicht reif genug für einen massenhaften Einsatz von Großbatterien in Haushalten ist. Bei der Evaluation wurde weiterhin festgestellt, dass potenziell rentable Anwendungsfälle von Großbatterien in Haushalten vergleichbare Ansätze wie beim Bürgerspeicher verwenden. Das in diesem „Bürgerspeicher“- Geschäftsprozess erarbeitete Konzept und die entsprechende Softwarelösung lässt dem Endnutzer beliebig viele Szenarien, aus denen unterschiedliche Komponenten mit verschieden Merkmalen ausgewählt werden können, um festzustellen, welche Strategien für ein bestimmtes Quartier in Frage kommen könnten sowie mit welcher Batterieleistung geplant werden muss, um profitabel zu sein.