Autoren: Dr. Hauke Thaden, EWE AG

Einleitung und Ausgangslage

Smart Meter Daten liefern wichtige Einblicke in den Energieverbrauch von Haushalten. Neben haushaltsspezifischen Verbrauchsinformationen in Echtzeit ermöglichen diese Daten gezielte Analysen über grundsätzliche Verhaltensmuster (z.B. Beginn/Ende der täglichen Aktivität im Haushalt) und bis zu einem gewissen Grad auch über die Nutzung der im Haushalt genutzten Elektrogeräte.

Disaggregation beschreibt dabei die Zerlegung des aggregierten Energieverbrauchs eines Haushalts in Einzelverbräuche bestimmter Geräte (z.B. Waschmaschine, Trockner, etc.). So bekommen Nutzer eines Smart Meters detaillierte Informationen über Verbrauch und laufende Kosten ihrer Geräte.

Im Rahmen von mehreren Feldtests und intensiven Datenanalysen wurde evaluiert, welche Modelle geeignet sind, um Haushaltslastprofile zu disaggregieren. Insbesondere konnten dadurch wesentliche Erkenntnisse über Potenziale, Grenzen und Herausforderungen der Disaggregation gewonnen werden.

Feldtests und Datenerfassung

Bereits im ersten Jahr des Projekts wurde in Zusammenarbeit mit dem enera techlab ein Feldtest für hochfrequentes Messen des Energieverbrauchs von Haushalten durchgeführt. Das techlab entwickelt Stromzähler, die das aggregierte Verbrauchsprofil mit einer Frequenz von 0,5 Hz erfasst haben (Megameter). Im Megameter Feldtest 1 wurden einzelne Haushalte mit diesen Zählern ausgestattet. Parallel dazu wurden die Teilnehmer dazu aufgefordert, die Aktivität ihrer Großgeräte (Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler) manuell zu erfassen.

Im zweiten Projektjahr wurde ein weiterer Feldtest durchgeführt, bei dem die Teilnehmer zusätzlich zum Megameter mit Smart Plugs für ihre Großgeräte ausgestattet wurden (Megameter Feldtest 2). Auf diese Weise konnten die Erfassung der Geräteaktivität automatisiert und die Datenqualität erheblich verbessert werden

Durch den SAM-Rollout im dritten Projektjahr konnte die Datenbasis für Smart Meter Daten von einzelnen Haushalten auf mehrere Hundert erhöht werden. Ergänzend wurden wieder einzelne enera-Teilnehmer mit Smart Plugs versorgt, um den Energieverbrauch von ausgewählten Haushaltsgeräten zu erfassen. In einem parallel durchgeführten Feldtest wurden einzelne Haushalte mit höchstauflösenden Messgeräten ausgestattet, die den Stromverbrauch im kHz-Bereich erfassen (HiRes Metering).

Algorithmen und Datenanalysen

Wesentliche Teile jeden Feldtests waren die Aufbereitung und die Analyse der gewonnen Daten. Die Kombination aus aggregierten Verbrauchsdaten der Haushalte und gerätespezifischen Informationen ermöglichte es verschiedene Machine Learning Verfahren darauf zu trainieren, die Profile der Geräte im Gesamtprofil des Haushalts wiederzuerkennen und den Gesamtverbrauch entsprechend zu disaggregieren.

Insbesondere konnten durch die Analysen folgende wichtige Erkenntnisse zur Disaggregation gewonnen werden:

Darstellung der Aktivität der Großgeräte im Gesamtprofil eines Haushalts.

Abbildung 1: Darstellung der Aktivität der Großgeräte im Gesamtprofil eines Haushalts.

Auflösung der Daten: Grundlage für die Erkennung von Geräteaktivität sind hochaufgelöste Smart Meter Daten (Frequenz mindestens 0,1 Hz). Insbesondere eine viertelstundenscharfe Messung reicht nicht, um den Stromverbrauch zuverlässig zu disaggregieren.

Erkennbare Geräte: Nicht alle Stromverbraucher können ausschließlich anhand der Smart Meter Daten identifiziert werden. Unter gewissen Voraussetzungen ist es möglich, Großgeräte wie Waschmaschine, Trockner, etc. im Gesamtverbrauch der Haushalte zu erkennen. Kleinere Verbraucher wie Beleuchtung und übliche Entertainmentgeräte stellen erhöhte Anforderungen an die Daten.

Heterogenität der Geräte und Haushalte: Nicht jede Waschmaschine lässt sich gleich gut identifizieren. Die Genauigkeit der Modelle hängt zudem von der Komplexität der Haushalte ab. Laufen häufig viele Geräte parallel, sinkt die Fähigkeit der Modelle, diese Geräte voneinander zu trennen.

Trainingsdaten: Für die Entwicklung von sehr zuverlässigen Lösungen müssen Verbrauchsdaten von deutlich mehr Haushalten erhoben werden, als es im Rahmen des Projekts möglich war. Entweder benötigt man aus jedem Haushalt zusätzlich Daten aus den Smart Plugs der einzelnen Geräte, um für jeden Haushalt individuelle Modelle zu trainieren oder man muss eine riesige, ständige wachsende Datenbank mit unterschiedlichen Profilen von Haushaltsgeräten aufbauen. Die Übertragung von höchstauflösenden Smart Meter Daten überfordert in der Regel die Internetbandbreite üblicher Haushalte.

Genauigkeit der Modellierungsergebnisse: Auch unter Idealbedingungen ist es nicht möglich den Verbrauch eines Haushalts komplett zu disaggregieren. Insbesondere kleinere Verbraucher gehen im Gesamtverbrauch unter. Die Genauigkeit der Erkennung der Großgeräte hängt von der Komplexität des Haushaltes ab. Hier sind Werte in der Größenordnung von maximal 80-90 % Genauigkeit möglich, in der Regel liegen sie aber deutlich darunter.

Entwicklung des Lösungsartefakts

Aufbauend auf den Ergebnissen der unterschiedlichen Feldtests und zugehörigen Datenanalysen wurde im dritten Projektjahr die Disaggregation light entwickelt. Der Zusatz „light“ trägt der Tatsache Rechnung, dass wie oben beschrieben nur ein geringer Teil des gesamten Stromverbrauchs des Haushalts in Einzelteile zerlegt werden kann. Nichtsdestotrotz ermöglicht das hier entwickelte Lösungsartefakt erste wesentliche Einblicke in das Verbrauchsverhalten der an enera teilnehmenden Haushalte.

Die Lösung ist zusammengesetzt aus Methoden der erweiterten statistischen Disaggregation und der modellbasierten Disaggregation. Statistische Disaggregation beschreibt die Zerlegung des gesamten Verbrauchs basierend auf festen Verteilungen einer größeren Grundgesamtheit.

Allgemeine Anteile verschiedener Haushaltskomponenten am gesamten Stromverbrauch – Grundlage für die statistische Disaggregation.

Abbildung 2: Allgemeine Anteile verschiedener Haushaltskomponenten am gesamten Stromverbrauch – Grundlage für die statistische Disaggregation.

Vorteil der statistischen Disaggregation ist, dass sie sehr stabile Ergebnisse liefert und nur den gesamten Verbrauch des Haushalts als Input benötigt. Klarer Nachteil ist, dass diese Art der Disaggregation sich nicht an das individuelle Verhalten von Haushalten anpasst. Insbesondere werden dieselben Anteile auch ausgegeben, wenn z.B. alle Haushaltsmitglieder im Urlaub sind und Kochgeräte in dieser Zeit nichts zum Verbrauch beitragen.

Um diesem Nachteil zu begegnen, wurde in der Disaggregation light die statistische Disaggregation so erweitert, dass sie individuell auf Änderungen im Gesamtprofil reagiert. So wurde beispielsweise eine Trennung von Verbrauchern, die immer laufen (Kühl- und Stand-by-Geräte), von Geräten, die ein aktives Eingreifen von Menschen erfordern (Waschmaschine, Herd, etc.), vorgelagert.

Ergänzt wurden die Ergebnisse der individualisierten statistischen Disaggregation um Resultate der modellbasierten Disaggregation, die mit den Daten aus den diversen Feldtests trainiert und entwickelt wurde.

Auf diese Weise wird der Gesamtverbrauch der Haushalte durch die Disaggregation light in die Komponenten Kühlgeräte, Stand-by, Always-on (passiver Verbrauch) und Kochen, Entertainment, Waschmaschine, Trockner, Geschirrspüler (aktiver Verbrauch), sowie Sonstiges zerlegt.