Autoren: Thomas Eichinger (Commercial System Solutions, Viessmann Werke GmbH & Co. KG); Andreas Muhlack (Function & Software Engineering, Viessmann Werke Allendorf GmbH); Erhard Lauer (Function & Software Engineering, Viessmann Werke Allendorf GmbH)

Feldversuch zum Flexibilitätspotenzial von zusätzlich mit elektrischen Durchlauferhitzern ausgestatteten Gasthermen

Versuchsaufbau und Zielsetzung

Im Rahmen von enera entwickelte Viessmann den Prototyp einer wandhängenden Gastherme mit eingebautem elektrischem Durchlauferhitzer. Dabei wurde auf die bereits bewährte Technik eines Gaswandgeräts zurückgegriffen und zusätzlich durch den Durchlauferhitzer die Möglichkeit geschaffen Gas als Energiequelle für die Wärmebereitung durch Strom zu ersetzen. Der Durchlauferhitzer kann bei Bedarf sowohl bei der Trinkwassererwärmung, als auch bei der Versorgung der Heizkreise zugeschaltet werden. Der Prototyp besteht aus einem Gas-Brennwertmodul mit einer maximalen thermischen Leistung von 19 kW ergänzt durch den Durchlauferhitzer mit einer elektrischen Maximalleistung von 3 kW. Der Gasbrenner moduliert seine thermische Leistung zwischen 10 und 100 %. Der Durchlauferhitzer ist nicht modulierend und daher entweder aus- oder eingeschaltet. Dieses Heizgerät wird im Folgenden als Gas-Hybrid-Gerät bezeichnet.

Gas-Hybrid-Geraet

Gas-Hybrid-Geraet

Zehn Stück dieser Gas-Hybrid-Geräte wurden in der enera-Modellregion im Nordwesten Deutschlands im Netzgebiet des Energieversorgers EWE in realen Haushalten von Feldversuchsteilnehmern aufgebaut. Mit Hilfe dieser zehn Feldversuchsgeräte sollten Erfahrungen aus dem Praxisbetrieb gewonnen werden.

Diese Gas-Hybrid-Geräte wurden an das Internet angebunden und über eine Programmierschnittstelle von Viessmann zu einem Anlagenpool zusammengeschaltet. Durch dieses Pooling konnte kontinuierlich eine maximal abrufbare aggregierte elektrische Leistung an eine übergeordnete Stelle gemeldet werden. Bei einem Abruf sorgt die Software des Anlagenpools dafür, dass die passende Anzahl an Gas-Hybrid-Geräten angesteuert wird, um die Leistungsanforderung zu erfüllen. Dies ermöglicht es viele dezentral verteilte Anlagen zu bündeln und elektrische Leistung als Flexibilität zur Verfügung zu stellen, die bei Bedarf abgerufen werden kann. Ein Szenario eines Abrufs wäre zum Beispiel ein Überangebot in der regionalen Stromerzeugung aus Windkraftanlagen. In diesem Fall könnte dieser Überschuss durch Ansteuerung der elektrischen Durchlauferhitzer in den Gas-Hybrid-Geräten im Wärmesektor genutzt und ein Teil des ansonsten benötigten Erdgases durch erneuerbar produzierten Strom ersetzt werden. Durch diese verbraucherseitige Laststeuerung könnte ein ansonsten benötigter Regelleistungsabruf reduziert und das Abschalten von regenerativen Energiewandlern vermieden werden.

In diesem Feldversuch wurde der Anlagenpool an das virtuelle Kraftwerk des Energieversorgers EWE angebunden. Ziel des Aufbaus war u. a. der Nachweis der technischen Funktion der gesamten IT-Kommunikationsstrecke von der Anforderung des virtuellen Kraftwerks bis hin zur Ansteuerung der jeweiligen Durchlauferhitzer in den Feldversuchsanlagen. Dabei sollte natürlich der Komfort der Feldversuchsteilnehmer zu keiner Zeit beeinträchtigt werden. Außerdem sollte anhand der aufgezeichneten Daten das Flexibilitätspotenzial in Abhängigkeit der Rahmenbedingungen und Betriebsparameter abgeschätzt werden.

Ansteuerungslogik

Die Logik, nach der die Gas-Hybrid-Geräte angesteuert wurden, ist vorrangig auf die folgenden beiden Ziele ausgelegt: Der Wärmekomfort der Feldversuchsteilnehmer soll zu keiner Zeit beeinträchtigt werden und es soll die maximal verfügbare Flexibilität genutzt werden. Daher wird der Durchlauferhitzer vorrangig nur zusätzlich zur momentan vorliegenden Betriebsart (Trinkwarmwasserbereitung oder Versorgung des Heizkreises) zugeschaltet. Durch das Zuschalten reduziert sich die benötigte thermische Leistung des Gasbrenners entsprechend. Es gibt Betriebszustände, in denen ein reines Zuschalten des Durchlauferhitzers nicht möglich ist. Das ist z.B. der Fall, wenn im Heizkreis nicht genügend Wärmeabnahme vorhanden ist und gleichzeitig keine Trinkwarmwasserbereitung stattfindet, weil der Trinkwarmwasserspeicher (TWW Speicher) noch ausreichend warm ist. In solchen Betriebszuständen wird bei einer Flexibilitätsanforderung aktiv eine Warmwasserbereitung getriggert, der Durchlauferhitzer zugeschaltet und der TWW Speicher auf die maximale Solltemperatur von 60 °C erhitzt. Damit das so erzeugte Warmwasser nicht ungenutzt bleibt, wird die Warmwasserbereitung aber nur innerhalb der vom Feldtestteilnehmer individuell nach seinen Bedürfnissen eingestellten Schaltzeiten bzw. Anwesenheitszeiten angestoßen.

Zeiten, an denen der Durchlauferhitzer nicht angesteuert werden kann, treten infolgedessen dann auf, wenn im Heizkreis nicht genügend Wärmeabnahme vorhanden ist und gleichzeitig der TWW Speicher entweder bereits seine Maximaltemperatur erreicht hat oder sich die Anlage momentan außerhalb der vom Nutzer eingestellten Schaltzeiten befindet.

Fahrplanbetrieb

Um Daten zur Tageszeitabhängigkeit und zur Jahreszeiten- bzw. Wetterabhängigkeit der verfügbaren Flexibilität sammeln zu können, wurde folgender Fahrplan über mehrere Monate von März bis Juni 2020 vom virtuellen Kraftwerk vorgegeben. Es wurde jeweils die gesamte installierte elektrische Leistung über einen Zeitraum von 2 Stunden angefordert, worauf jeweils eine Phase von 3 Stunden ohne Anforderung folgte. Diese Abfolge wurde kontinuierlich im Wechsel abgefahren. Bei diesem Fahrplan wurde bewusst auf eine Berücksichtigung der vom Anlagenpool an das virtuelle Kraftwerk gemeldeten momentan verfügbaren Leistung verzichtet, um die maximal mögliche Flexibilität der Gas-Hybrid-Geräte untersuchen zu können.

Ergebnisse

In der nachfolgenden Vorstellung der Ergebnisse des Fahrplanbetriebs der Feldversuchsanlagen wird ein sog. Erfüllungsgrad in Prozent als Maß für die Flexibilität des Anlagenpools verwendet. Der Prozentsatz sagt aus zu welchem zeitlichen Anteil die jeweilige Anforderung erfüllt werden konnte, also wie lange der Durchlauferhitzer tatsächlich jeweils während der verschiedenen 2-Stunden-Anforderungen aktiv war.

Der Erfüllungsgrad ist maßgeblich abhängig von der Tageszeit und von der mittleren Außentemperatur. Diese tages- und jahreszeitlichen Abhängigkeiten sind in den folgenden drei Diagrammen dargestellt. Es wurden alle Ansteuerungen aller Feldversuchsanlagen nach Außentemperatur und Uhrzeit der Ansteuerung sortiert und jeweils Mittelwerte für den Erfüllungsgrad gebildet.

Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen kleiner 8 °C

Abbildung 2: Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen kleiner 8 °C

Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen zwischen 8 und 14 °C

Abbildung 3: Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen zwischen 8 und 14 °C

Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen größer 14 °C

Abbildung 4: Tageszeitliche Abhängigkeit des Erfüllungsgrads bei mittleren Tagesaußentemperaturen größer 14 °C

In Bezug auf die tageszeitliche Abhängigkeit ist festzustellen, dass in der Nacht der Erfüllungsgrad und damit die verfügbare Flexibilität kleiner ist, als am Tag. Das betrifft sowohl die Trinkwarmwasserbereitung, als auch die Versorgung von Heizkreisen und ist in erster Linie durch die von den jeweiligen Feldtestteilnehmern individuell entsprechend ihrer Bedürfnisse hinterlegten Warmwasserschaltzeiten und Schaltzeiten für einen reduzierten Betrieb bei der Versorgung der Heizkreise zu erklären.

Beim Vergleich der drei Diagramme untereinander ist zu sehen, dass bei höheren mittleren Tagesaußentemperaturen der Erfüllungsgrad insgesamt kleiner wird, aber v.a. der Anteil der Versorgung von Heizkreisen. Der Anteil der Trinkwarmwasserbereitung bleibt annähernd gleich. Dies steht in direkten Zusammenhang zur jeweiligen Wärmeabnahme. Die Wärmeabnahme der Heizkreise sinkt bei steigenden Außentemperaturen, wohingegen auch bei höheren Außentemperaturen gleichermaßen Bedarf an Trinkwarmwasser besteht.

Der Zusammenhang zwischen Außentemperatur und dem Flexibilitätspotenzial von Gas-Hybrid-Geräten ist in Abbildung 4 dargestellt.

Abhängigkeit des Erfüllungsgrads zur mittleren Tagesaußentemperatur

Abbildung 5: Abhängigkeit des Erfüllungsgrads zur mittleren Tagesaußentemperatur

Die Punkte im Diagramm stellen die einzelnen Versuchstage während des Fahrplanbetriebs dar und beinhalten jeweils die Mittelwerte der Tagesaußentemperatur und die erreichten Erfüllungsgrade aller Feldversuchsanlagen.

Es ist sowohl ein klarer Zusammenhang zwischen Außentemperatur und Erfüllungsgrad zu erkennen, als auch eine gewisse Streuung der erreichten Erfüllungsgrade bei gleicher mittlerer Tagesaußentemperatur, was in erster Linie die Individualität der verschiedenen realen Haushalte der Feldversuchsteilnehmer widerspiegelt.

Bewertung und Einordnung der Ergebnisse

Die technische Machbarkeit einer Bündelung von Gas-Hybrid-Geräten und einer Ansteuerung durch eine übergeordnete Instanz ohne Beeinträchtigung des Wärmekomforts der Hausbewohner konnte im Feldversuch erfolgreich nachgewiesen werden.

Außerdem wurde festgestellt, dass das größte Flexibilitätspotenzial tagsüber und im Winter zur Verfügung steht, wobei aber auch an wärmeren Tagen mit mittleren Tagesaußentemperaturen von mehr als 14 °C immer noch ein signifikantes Flexibilitätspotenzial vorhanden ist, das aus technischer Sicht Flexibilitätsnutzungen sinnvoll ermöglicht.

Wenn in einem Realbetrieb mit Grundlage eines geeigneten Geschäftsmodells Flexibilitätsabrufe zuverlässig und vollständig erfüllt werden müssen, muss eine bestimmte Anzahl an Anlagen als Puffer bereitstehen, um andere Anlagen bei einer Ansteuerung bei Bedarf ablösen zu können. D.h. ein Anlagenpool darf je nach Verfügbarkeit der Anlagen nur einen Teil der Gesamtleistung als verfügbare Flexibilität melden. Der Erfüllungsgrad gibt Hinweise darauf welche Leistung ein Anlagenpool in Abhängigkeit zur Tageszeit und mittleren Tagesaußentemperatur als abrufbare Flexibilität einer übergeordneten Instanz zuverlässig melden kann. Das Anlagenpooling und intelligente Melden der verfügbaren Flexibilität kann somit eine zuverlässige Erfüllung der Flexibilitätsanforderungen gewährleisten.

Im Jahr 2018 gab es in Deutschland 18,7 Millionen Zentralheizungsanlagen für feste, flüssige und gasförmige Brennstoffe, wovon 13,3 Millionen auf gasförmige Brennstoffe entfallen. Unter den davon messpflichtigen Anlagen liegen gut 70 % im Bereich von 11 - 25 kW thermischer Leistung. (Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband, 2018) Der überwiegende Teil dieser Heizungen ist somit mit den im Feldversuch eingesetzten Gas-Hybrid-Geräten mit einer thermischen Leistung des Gasbrenners von 19 kW vergleichbar.

Unter der Annahme, dass alle dieser 13,3 Millionen Gasheizungen als Gas-Hybrid-Anlagen mit einer elektrischen Leistung von im Mittel 3 kW ausgeführt wären, würde sich bei einem Erfüllungsgrad von 20 % - der bis auf die Nachtstunden an Tagen mit mittleren Außentemperaturen größer 14 °C regelmäßig mindestens erreicht wurde - ein maximales theoretisches Flexibilitätspotenzial von 8 GW elektrischer Leistung ergeben. Bei einem Erfüllungsgrad von 80 % - was nach den Ergebnissen des Feldversuchs einen für die Wintermonate realistischen Wert darstellt - liegt das maximale theoretische Flexibilitätspotenzial bei 31,9 GW. Diese 8 bzw. 31,9 GW würden bei Erfüllungsgraden von 20 bzw. 80 % zuverlässig für 2 Stunden nach einer Phase von 3 Stunden ohne Abruf zur Verfügung stehen.

Auch wenn realistisch gesehen nur bei einem Austausch der Heizung oder im Neubau Gas-Hybrid-Geräte verbaut werden könnten, ist grundsätzlich ein enormes Flexibilitätspotenzial vorhanden.

Eine Nachrüstung von Heizstäben in den Trinkwarmwasserspeichern von Bestandsanlagen wäre ebenfalls möglich. Damit könnte zwar nur der Flexibilitätsanteil der Trinkwarmwasserbereitung erschlossen werden, aber durch die Möglichkeit der Nachrüstung und gleichzeitiger Eignung auch von Heizungsanlagen für feste und flüssige Brennstoffe wahrscheinlich schneller eine größere Anzahl an Anlagen erreicht werden.

Wichtig ist dabei, dass die Anlagen neben dem Heizstab über einen zweiten Wärmeerzeuger verfügen, der mit einem anderen Energieträger betrieben wird. Nur durch solche Hybridanlagen, die aus verschiedenen Energieträgern Wärme erzeugen können, kann eine hohe Flexibilität geboten werden. Rein elektrische Heizsysteme wären zwar geeignet genauso viel Überschussstrom aufzunehmen, sie würden aber in Zeiten, in denen wenig Strom verfügbar ist, das Energiesystem belasten. Dann müsste Strom aus teuren Speichern oder aus mit fossiler Energie (bzw. Energie aus PtX-Anlagen) betriebenen Kraftwerken bereitgestellt werden.

8. Literaturverzeichnis

Bundesverband des Schornsteinfegerhandwerks – Zentralinnungsverband. (2018). Erhebungen des Schornsteinfegerhandwerks. Sankt Augustin, Deutschland: Autor.