Autoren: Dr. Hauke Thaden, EWE AG

Einleitung und Ausgangslage

Lichtcontracting beschreibt das Angebot eines Dienstleisters, Beleuchtungsanalagen von insbesondere Industrie- und Gewerbekunden zu modernisieren, umzurüsten und im laufenden Betrieb zu warten. Dabei werden zwischen Dienstleister und Kunde in der Regel Verträge über einen Zeitraum von mehreren Jahren abgeschlossen. Vorteil für den Kunden ist, dass für die Modernisierung keine einmalige – unter Umständen sehr hohe – Investition erforderlich ist. Alternativ wird die Umrüstung durch die langfristig fälligen Contracting-Gebühren über mehrere Jahre hinweg bezahlt. Die Effekte (reduzierter Energiebedarf durch moderne Beleuchtung) treten dagegen sofort ein.

Die EWE VERTRIEB GmbH bietet ihren Geschäftskunden diese Dienstleistung an. Eine wesentliche Herausforderung dabei ist, potenzielle Kunden frühzeitig zu identifizieren und gezielt mit individuell passenden Angeboten anzusprechen. Tatsächlich ist es so, dass sich die Modernisierung der Beleuchtungsanlage nicht für jeden Kunden innerhalb von 5 oder 10 Jahren amortisiert. Diese Erkenntnis kann aber immer erst im Laufe eines zeit- und kostenintensiven Lead-Prozesses gewonnen werden. Das Lösungsartefakt „Lichtcontracting“ zahlt genau auf die Fragestellung der datenbasierten und automatisierten Identifikation von potenziellen Kunden ein.

Zugehörige BrainWave

Im Rahmen einer BrainWave wurde innerhalb von 12 Wochen analysiert, wie zuverlässig eine datenbasierte Identifikation von potenziellen Kunden für das Produkt Lichtcontracting funktioniert. Dazu wurde ein interdisziplinäres Team aus Data Scientists der EWE AG und BTC AG und Fachexperten der EWE VERTRIEB GmbH zusammengestellt.

Wesentliche Datenquelle für die Analyse waren sogenannte Lastgänge von Bestandkunden. Große Gewerbe- und Industriekunden unterliegen der registrierenden Leistungsmessung. Dabei wird der Energiebezug dieser Kunden viertelstundenscharf erfasst. Das Ergebnis dieser Messung ist der sogenannte Lastgang (Beispiel in Abbildung 1). Darüber hinaus wurde in gemeinsamen Workshops erarbeitet, welche weiteren Informationen im Laufe der Kundenakquise erhoben und verarbeitet werden. Diese Informationen wurden dann für die Bestandskunden gesammelt, aufbereitet und in die Modellierung integriert.

Lastgang eines Industriekunden Jahresansicht

Abbildung 1: Beispielhafter Lastgang eines Industriekunden in viertelstündiger Auflösung im Verlauf eines Jahres.

In einem nächsten Schritt wurden verschiedene Machine Learning Verfahren mit den Daten der Bestandskunden trainiert und bezüglich ihrer Prognosefähigkeit evaluiert (u.a. mittels Leave-One-Out-Kreuzvalidierung). Zielgröße dieser Auswertung war die Abschlusswahrscheinlichkeit eines potenziellen Kunden. Eine schematische Darstellung dieses Vorgehens befindet sich in Abbildung 2.

Schematische-Darstellung-Modellierungsansatz

Abbildung 2: Schematische Darstellung des Modellierungsansatzes.

Als Ergebnis der BrainWave wurde festgestellt, dass der datenbasierte Ansatz zur Identifikation potenzieller Kunden im Bereich Lichtcontracting einen erheblichen Mehrwert im Rahmen der Neukundenakquise liefern kann. Insbesondere im Zusammenspiel mit der langjährigen Erfahrung der Fachexperten kann durch den Einsatz von Machine Learning die Qualität der Leads sowie die individuelle Kundenansprache deutlich verbessert werden.

Modellbasierte-Abschlusswahrscheinlichkeit

Abbildung 3: Modellbasierte Abschlusswahrscheinlichkeit (x-Achse) für die evaluierten Kunden (y-Achse) verglichen mit dem tatsächlichen Ausgang des Leadprozesses (Abschluss=nicht ausgefüllte grüne Punkte, Absage=nicht ausgefüllte rote Punkte).

Umsetzung und Entwicklung des Lösungsartefakts

Aufbauend auf den Ergebnissen der BrainWave sollte die erarbeitete Lösung auch Gewerbe- und Industriekunden zugänglich gemacht werden, deren Lastgänge noch nicht im Bestand von EWE VERTRIEB vorliegen. Um das zu erreichen wurde das entwickelte Machine Learning Verfahren in einen Cloud Service integriert und über die Homepage zum Produkt Lichtcontracting zugänglich gemacht (https://www.ewe.de/unternehmen/licht/berechnungstool). Interessenten können dort ihren Lastgang selbständig hochladen, um einige Stammdaten ergänzen und bekommen dann vollautomatisiert innerhalb von wenigen Sekunden eine datenbasierte Einschätzung ihres Einsparpotenzials durch eine Modernisierung ihrer Beleuchtungsanlage. Diese Berechnung ist dann Grundlage für den weiteren Lead-Prozess.