Autoren: Jannik Hartfil; EWE NETZ

Einleitung und Hintergrund

Netz, Markt, Daten – anhand des Zusammenspiels dieser drei Kernkategorien wird das enera Projekt definiert. Insbesondere die Verfügbarkeit von Daten bildet für die Erprobung von datenbasierten Geschäftsmodellen ein bedeutsames Fundament.

Im Rahmen dieses Arbeitspakets machte EWE NETZ es sich unter anderem zur Aufgabe, messdatenbasierte Mehrwertdienste - auf Basis der durch den Rollout von intelligenten Messsystemen erfassten Stromverbrauchswerten - hinsichtlich ihres Kundennutzens und Vermarktbarkeit zu beleuchten. So wurden im ersten und zweiten Projektjahr 42 Mehrwertdienstideen im Verlauf des Innovationsprozesses gemeinsam mit den Konsortialpartnern the peak lab und der EWE AG entwickelt und analysiert.

Parallel dazu wuchs die Ungewissheit über den Starttermin des „Smart-Meter-Rollouts“ – die Freigabe des Einbaus von intelligenten Messsystemen verzögerte sich wiederkehrend aufgrund eines langwierigen Zertifizierungsprozesses der Smart-Meter-Gateways - der Kommunikationskomponente der neuen Zähler, die u.a. für die Messdatenübertragung zuständig ist. Es galt nun die rechtzeitige Verfügbarkeit der benötigten Datenquelle zur weiteren Erprobung dieser Ideen und weiterer Projektziele zu gewährleisten.

Bereits zu Projektbeginn wurden nicht-zertifizierte Alternativlösungen zur Zählerfernauslesung aufgrund der Anforderungen diverser Use-Cases an eine kostengünstige Technologie mit hochauflösenden Übertragungsraten betrachtet.  In enger Zusammenarbeit mit dem Arbeitspaket 1 wurden diverse Produkte zur Erhebung und Kommunikation von Stromverbrauchswerten bewertet und getestet. Nach der Auswertung von zwei Lösungen in je einem Friendly-User-Feldtest, war das SAM geboren.

Das „smarte Auslese- und Kommunikationsmodul“, ein Aufsatz für moderne Messeinrichtungen, wurde im Verlauf des Projekts ca. 700-mal verbaut. Der kurzfristige Technologiewechsel bedurfte ein hohes Maß an Abstimmung und Koordination zwischen den für Einbauprozesse, Kundenkommunikation und IT-Anbindung verantwortlichen Arbeitspaketen. Die bereichsübergreifende Zusammenarbeit im enera-Projekt ermöglichte es, auf veränderte Rahmenbedingungen erfolgreich zu reagieren und kurzfristig eine angepasste Lösung zu implementieren. Die daraus gewonnen Lerneffekte gehen somit weit über den technischen Bereich hinaus und finden in allen oben genannten Feldern Anwendung.

Friendly-User Feldtestphase

Als Bewertungsgrundlage für die Auswahl geeigneter Auslese- und Übertragungstechnik, und der daran anknüpfende Übergang in die Feldtestphase, bildet eine zuvor erstellte Shortlist von über 12 Alternativlösungen. Es sei an dieser Stelle hervorgehoben, dass zu keinem Zeitpunkt das Bestreben bestand, eine Alternativoption zum „Smart-Meter-Gateway“ und dessen hohen sicherheitstechnischen Anforderungen zu entwickeln. Der Fokus lag auf der Sicherstellung der für den Erfolg diverser Projektteile fundamentalen Verfügbarkeit von Strombewegungsdaten im Rahmen des enera-Projekts, dessen systemischer Ansatz direkte Abhängigkeiten zwischen den Arbeitspaketen ergab.

Nach Auswertung der verschiedenen Anbieter, wurden zwei Produkte für eine Erprobung im Feldtest ausgewählt.

Nachdem sich kurzfristig 25 „Friendly-User“ aus dem Projektumfeld für eine Feldtestteilnahme bereit erklärten, begann die erste dreimonatige Testphase. Dazu installierte EWE NETZ in den angemeldeten Haushalten digitale Stromzähler, moderne Messeinrichtungen, mit der Testhardware. Hierbei handelt es sich um eine zuvor auf den Zähler montierte Kommunikationseinheit, der sogenannten „powerbox“.

Mit Hilfe einer Kundenapp des fast gleichnamigen Anbieters „powerfox“, richteten die Feldtestteilnehmer eine Verbindung zwischen powerbox und ihrem privaten Wlan-Heimnetzwerk ein. Fortan versendeten die Kommunikationseinheiten  Messwerte in einer Granularität von unter 10 Sekunden an die Datenplattform des Anbieters. Diese Verbrauchswerte wurden den Teilnehmern in der bereits genannten Kundenapp in verschiedenen Darstellweisen visualisiert. Neben der „Live“-Darstellung der aktuell am Zähler gemessenen Leistung, ließen sich historische Verbrauchsdaten sowie weitere Funktionen abrufen.

In regelmäßigen Teilnehmerumfragen wurden Verbindungsstabilität, App-Funktionalitäten und Nutzbarkeit des Gesamtprodukts bewertet.

Abbildung 1: Die Abmessungen der powerbox gleichen denen eines Smart-Meter-Gateways. Sie lässt sich auf der Hutschiene einer modernen Messeinrichtung installieren.

Im Gegensatz zur bereits am Markt verfügbaren „powerbox“, resultierte die zweite in einem Feldtest zu verprobende Hardware aus einem gemeinsamen Entwicklungsprojekt zwischen der EWE NETZ und dem Schweizer Hersteller „smart-me“. Bei dieser Lösung, dem sogenannten „smart-eye“, handelt es sich um ein Auslesemodul, das auf die standardmäßig verbaute Kundeninfoschnittstelle der modernen Messeinrichtungen gesetzt wird. Während dieser Testphase wurden ebenfalls 29 Friendly-User-Haushalte mit Prototypen der Hardware und entsprechenden Kunden-Apps ausgestattet. Auch in diesem Fall kommunizierten die Auslesemodule über das private WLAN in Richtung Anbieter-Cloud.

Abbildung 2: Die „smart-eyes“ lassen sich mittels eines Magneten auf die Kundeninfoschnittstelle der modernen Messeinrichtungen setzen und stellen die Messwerte über das WLAN und der Hersteller-Cloud den Endgeräten der Teilnehmer zur Verfügung.

Im Rahmen eines regelmäßigen Monitorings durch Teilnehmerumfragen und zusätzlichen Labortests, zeichneten sich die „smart-eyes“ durch eine hohe Verbindungsstabilität und einer hochauflösenden Messdatenübertragung  von „near-realtime“ Werten auf fast sekündlicher Basis aus. Weitere Vorteile ergaben sich aus den Möglichkeiten einer Selbstinstallation durch die Teilnehmer und einer rückstandslosen Rückbaubarkeit der nicht fest mit den Stromzählern verbundenen Module. Ein für das Gesamtprojekt entscheidender Mehrwert bot außerdem die Abrufbarkeit der historischen und „Live“-Messwerte über eine API-Schnittstelle der „smart-me-Cloud.

Abbildung 3: Die Apps aus den Feldtests: powerfox (links) und smart-me (rechts). Die Testphasen lieferten neben der technischen Erprobung erste Einblicke in die Funktionalitäten von Mehrwertdienste-Apps für Verbraucher.

Vom Feldtest zum Regelprozess

Zum Ende der Feldtestphase im zweiten Projektjahr entschied sich die Projektleitung in Abstimmung mit den eingebundenen Arbeitspaketen dazu, die „smart-eye“-Lösung als vorübergehende technische Alternative zum intelligenten Messsystem im Folgejahr im Gesamtprojekt einzusetzen. Es gelang den beteiligten Arbeitspaketen in einem kurzen Zeitfenster von wenigen Monaten den bevorstehenden Einsatz

der neuen Hardware im Zusammenspiel der Kernbereiche Kundenkommunikation, Einbauprozess und IT-Integration in die SDSP-Logik parallel zu koordinieren.

In Zusammenarbeit mit dem für den technischen Rollout verantwortlichen Arbeitspaket 1 wurde zunächst die Entwicklung der Hardware zur Serienreife beschleunigt. Mit Beginn der vielfältigen Teilnehmerkampagne des enera-Go-to-Market-Teams galt es den Einbauprozess der nun unter dem Namen „SAM“ vermarkteten Auslesemodule mit der Teilnehmerkommunikation  zu harmonisieren. Insbesondere dieser Prozess lässt sich rückblickend als besonders agil in seiner ständigen Weiterentwicklung, Optimierung und Reaktion auf technische und organisatorische Herausforderungen bezeichnen.

Abbildung 4: Das „smart-eye“ wurde im Rahmen des enera-Projekts als „SAM“ (Smartes Auslese- und Kommunikationsmodul) vermarktet.

Mit der Verfügbarkeit der Verbrauchswerte und der erfolgreichen Anbindung der „smart-me“-Cloud an die SDSP, standen enera nun Bewegungsdaten zur Verfügung.

Eine direkte Verwendung fanden diese in der eigens für enera-Teilnehmer entwickelten „enera-App“. Einige der zuvor bewerteten Funktionalitäten, wie zum Beispiel eine „live“-Stromverbrauchsvisualisierung oder die übersichtliche Darstellung von historischen Verbrauchswerten wurden den Teilnehmern kostenfrei zur Verfügung gestellt.

Ein weiteres Beispiel findet sich im Bereich Data Science, in dem die Werte in der Erprobung von Gerätedisaggregationen und der Ermittlung von Verbrauchsverhaltensmustern eingesetzt werden konnten.

Der im enera-Projekt entwickelte Mehrwertdienst „Einspeisevisualisierung“, kurz „EiVi“, nutzt die „SAM“-Technologie zur Darstellung und Berechnung von Stromverbrauchs- und Erzeugungswerten in Prosumer-Haushalten. Eine weitere enera-Entwicklung, die kommunale Webanwendung, stellt teilnehmenden Kommunen ebenfalls Liegenschaftsverbräuche auf Basis der „SAM“-Technologie dar.

Zusammenfassung und Ausblick

Mit der Entwicklung des „SAM“ gelang es kurzfristig, eine Alternative zum intelligenten Messsystem zur Erreichung diverser Projektziele zu schaffen. Mit insgesamt 700 verbauten Modulen wurde ein Fundament für die weitere Entwicklung neuer kommunikativer Ansätze und datenbasierter Geschäftsmodelle geschaffen. Vor dem Hintergrund der Evaluierung von messdatenbasierten Mehrwertdiensten, profitierte insbesondere die Entwicklung des „Prosumer“-Mehrwertdienstes „EiVi“ von der kurzfristig verfügbaren Technologie und konnte auf diese Weise in einem Testhaushalt demonstriert werden.