Mit dem Begriff „Graue Energie“ ist unsichtbare Energie gemeint, die etwa bei der Herstellung, beim Transport oder bei der Lagerung von Produkten entsteht. Das bedeutet, dass sich hinter fast jedem Objekt Graue Energie versteckt. Diese sorgt selbst bei vermeintlich fair gehandelten oder regionalen Gütern dazu, dass der eigentliche Energieaufwand deutlich höher ist, als du erwarten würdest. Als umweltbewusster Konsument gilt es, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Wichtig ist, dass du für diese Energie zwar nicht bezahlst, aber trotzdem für ihren Aufwand verantwortlich bist, wenn du dich für den Konsum entscheidest. Die Bio-Erdbeeren aus Spanien zum Beispiel haben einen deutlich höheren Energieverbrauch, als dir eventuell bewusst ist. Während der Produktionskette entstehen viele „graue“ Emissionen, die sich letztendlich auf den Klimawandel auswirken. Ähnlich wie der unsichtbare Wasserverbrauch hinter vielen Produkten (Beispiel Baumwolle) gilt es daher, den unsichtbaren Energieverbrauch zu berücksichtigen.

Graue Energie und Klimaschutz

Die Graue Energie wird gern einmal vergessen, wenn es darum geht, wie klimafreundlich Personen oder auch ganze Länder handeln. Zum Beispiel gilt die Schweiz aufgrund ihrer eher geringen CO2-Emissionen als ein klimafreundliches Industrieland. Wer sich jedoch genauer anschaut, wie viele graue Emissionen durch den Import von Gütern aus anderen Ländern in der Schweiz zu verzeichnen sind, wird schnell ein ganz anderes Bild sehen.

Im Interesse des Klimaschutzes ist es essenziell, nicht nur an den direkten CO2-Emissionen zu arbeiten, sondern auch die Graue Energie zu minimieren. Da diese Daten jedoch nur schwer zu erheben sind, stellt dies eine große Herausforderung dar. Dir sollte bewusst sein, dass die geläufigen Vergleiche von Pro-Kopf-Emissionen nicht die ganze Wahrheit zeigen. Außerdem ist es wichtig, bei Produkten zu hinterfragen, wie viel Energie für deren Herstellung und Transport aufgewendet wurde.

Der Unterschied zum Ökologischen Fußabdruck

ökologischer fußabdruck graue energie unterschied

Sicherlich hast du auch schon einmal deinen Ökologischen Fußabdruck berechnet, der dir anzeigt, wie viel Energie du im Vergleich zu anderen Menschen im Alltag verbrauchst. Jedoch ist diese Angabe nicht ausreichend, um die Umweltverträglichkeit von Konsum und Produktion einzuschätzen. Auch auf der Staatenebene geht es vor allem darum, wie viel ein fertiges Produkt verbraucht, was man etwa an der Energieeffizienzklasse ablesen kann.

Um die Umweltverträglichkeit besser einschätzen zu können, ist es jedoch wichtig, auch die Graue Energie zu berücksichtigen, die ein fertiges Produkt bereits in die Welt gesetzt hat. Zum Beispiel ist es zwar gut für die Umwelt, mit einem emissionsarmen Elektroauto zu fahren. Jedoch muss dieses im fernen Ausland produziert und nach Deutschland transportiert werden, sodass du ein Produkt erhältst, das bereits sehr viel Graue Energie produziert hat.

Beispiele für Graue Energie

In letzter Zeit wird das Schlagwort „Graue Energie“ im öffentlichen Bewusstsein, in den Medien und in der Politik häufiger benutzt. Mittlerweile wird offensichtlich, dass hinter Produkten und Dienstleistungen stets ein hoher Energieaufwand steckt, der beim Konsum berücksichtigt werden sollte. Selbst bei der Nutzung des Internets (Link zu Artikel) ist dies der Fall. Hier haben wir dir einige Beispiele aufgelistet:

  • Baustoffe wie Holz: Das Holz muss geschlagen, ins Sägewerk transportiert und dann auf die Baustelle oder zur Verbrennung transportiert werden. Es hat daher bereits viel Graue Energie verbraucht, bevor es eingesetzt wird.
  • Handy: Die Gewinnung der benötigten Mineralien für ein Handy ist sehr energieaufwändig. Das Smartphone wird in einem Billiglohnland zusammengebaut und mit hohen Energiekosten zu dir transportiert.
  • Lebensmittel: Schwere Maschinen, umweltschädliche Düngemittel und Schädlingsbekämpfer, Futter für Rind sowie ein hoher Wasserverbrauch stecken hinter Lebensmitteln, die du jeden Tag konsumierst. Exotische Früchte müssen importiert werden und selbst die Oliven aus Italien verbrauchen mehr Energie, als du dir vorstellst
  • Einwegflaschen: Sowohl die Herstellung als auch das spätere Recyceln der Flaschen verbrauchen sehr viel Energie

Jetzt fragst du dich vielleicht, was du tun kannst, um Produkte mit einem hohen Anteil an Grauer Energie zu vermeiden? Dies ist nicht zu 100% möglich, aber indem du dich für regionale und saisonale Lebensmittel entscheidest, bei Firmen mit dem Siegel „Made in Germany“ einkaufst und so oft wie möglich auf Einwegprodukte verzichtest, leistest du bereits einen guten ersten Schritt. In diesem Artikel findest du weitere Tipps dafür, wie du zu einer Kreislaufwirtschaft mit geringem Verbrauch an Grauer Energie beitragen kannst.

Wichtige Hinweise für Bauherren

Im Bereich der Baumaterialien gibt es besonders viel versteckte Energie, denn für die Herstellung von Ziegeln oder Backsteinen kommen zum Beispiel große, energieverschlingende Maschinen zum Einsatz. Zwar haben neue Techniken und Materialien dafür gesorgt, dass es inzwischen möglich ist, energieneutrale oder sogar Energieplus-Häuser zu bauen, aber die Herstellung der Materialien braucht noch immer sehr viel Energie. Diese ist sogar eher gestiegen als gesunken, da mehr und mehr Materialien importiert werden.

Bisher gibt es so gut wie keine regulatorischen Vorgaben für den Verbrauch von Grauer Energie. Jedoch kannst du beim Hausbau mit deinem Architekten sprechen und ihn zum Beispiel bitten, Materialien mit einem geringen Fußabdruck zu verwenden. Dieser Unterschied lässt sich von dir nicht mit bloßem Auge erkennen, aber wer über die Herstellung und Herkunft von Baumaterialien recherchiert, kann hier schnell Energie sparen.

Bessere Kennzeichnung für Konsumenten nötig

Experten sind der Meinung, dass es wichtig ist, mehr Aufmerksamkeit für das Thema Graue Energie zu schaffen. Anstatt dabei von der „Kohlendioxydbilanz“ zu sprechen, ist ein anschaulicher Begriff nötig. Noch wichtiger ist es jedoch, eine Energiekennzeichnung einzuführen. Bisher können wir anhand von Energieeffizienzklassen und verschiedenen Siegeln nur sehen, wie viel Energie ein bereits gekauftes Produkt verbraucht.

Wenn es jedoch Pflicht wäre, auch die Graue Energie auf dem Produkt zu kennzeichnen, wäre es möglich, die Konsumenten schnell von dem Ausmaß des Problems zu überzeugen. Es geht also letztlich darum, eine gesamtökologische Perspektive zu eröffnen. Idealerweise kaufst du dann Produkte, die kaum mit Grauer Energie „belastet“ sind und natürlich darüber hinaus so wenig Energie und Emissionen wie möglich produzieren.